Von CANNA Research
"Mikroorganismen" ist der Sammelbegriff für ein sehr breites Spektrum von Kleinstlebewesen wie Bakterien, Protozoen, Algen und Pilze. Die meisten dieser Mikroorganismen vermehren sich unter günstigen Umweltbedingungen sehr schnell und können sich sowohl positiv als auch negativ auf die Entwicklung von Pflanzen im Substrat auswirken. Welche Mikroorganismen im jeweiligen Substrat vorkommen, hängt von zahlreichen Faktoren, wie dem Klima, den Eigenschaften des Substrats, der Pflanzenart und den anderen im Substrat vorhandenen Organismen, ab.
Mikroorganismen haben einen wesentlichen Einfluss auf die Entwicklung der Pflanzen im Substrat, und zwar positiv wie auch negativ. Die Vermehrung von Mikroorganismen hängt von vielen Faktoren ab, wie zum Beispiel der Zusammensetzung des Substrats. Andere Einflussfaktoren sind die Sauerstoffmenge, die Temperatur des Substrats und des Wurzelbereichs sowie der pH-Wert und der Salzgehalt (EC-Wert) im Anbaumedium. Von entscheidender Bedeutung für das Mikroleben im Medium sind aber auch Pestizide.
Den bei weitem größten Einfluss auf die Vermehrung von Mikroorganismen hat die Wahl des jeweiligen Anbaumediums. Dabei unterscheidet man hauptsächlich zwischen organischen Substraten, wie Kokosfasern, Torf oder Erde, und anorganischen Substraten, wie Blähton, Perlit oder Steinwolle. Mikroorganismen mit einer hohen saprophytischen Aktivität (d. h. die sich von abgestorbenem, organischem Material ernähren) gedeihen besser in einem Substrat, das organisches Material wie Torf oder wiederverwertetes Substrat enthält. Aber abgestorbene Blätter auf der Substratoberfläche oder infizierte Pflanzen mit nekrotischen Teilen tun es auch.
Der Sauerstoffgehalt im Substrat bestimmt, ob sich aerobe oder anaerobe Mikroorganismen entwickeln. Die meisten Pflanzen benötigen Sauerstoff im Wurzelbereich, wodurch in der Regel aerobe Organismen vorherrschen. Pflanzen, die in einem sehr sauerstoffarmen Substrat heranwachsen, sind normalerweise schwächer, was die Bildung pathogener anaerober Mikroben begünstigt.
Alle Organismen haben einen Temperaturbereich, in dem sie sich optimal vermehren (Temperaturoptimum). Das bedeutet, dass die Temperatur des Substrats und des Wurzelbereichs die Zusammensetzung der Mikroflora beeinflussen. Die Durchschnittstemperatur und der Temperaturbereich (kalte Nächte oder heiße Sommertage) bestimmen, welche Mikroorganismen überleben können. Das Ausmaß und die Häufigkeit von Temperaturschwankungen spielen ebenfalls eine Rolle.
Pilzwachstum auf Tomaten in Steinwollwürfel
Genau wie Pflanzen bevorzugen die meisten Mikroorganismen einen Säuregehalt zwischen 5,5 und 5,8. Hohe und niedrige pH-Werte und pH-Schwankungen können das Wachstum der Mikroflora beeinträchtigen. Dennoch gibt es einige Mikroorganismen, die unter extremen Bedingungen wachsen und sogar gedeihen können. Der Salzgehalt oder EC-Wertim Substrat wirkt sich ebenfalls auf das mikrobielle Wachstum aus, wobei Art und Zusammensetzung der Salze von wesentlicher Bedeutung sind. Vor allem Salze wie Kalium, Chlor oder Natriumchlorid können die Vorgänge in der Rhizosphäre beeinträchtigen und somit die Arten von Mikroorganismen, die sich im wurzelnahen Bereich ansiedeln.
In anorganischen Substraten, wie Steinwolle, Blähton oder Perlit, verbreiten sich die meisten Mikroorganismen durch Wasser. Diese Mikroorganismen gelangen über Bewässerungssysteme, die Luft oder Pflanzen in das Anbaumedium und überleben solange, wie der Feuchtigkeitsgehalt ausreichend hoch ist, selbst wenn es sich dabei nur um kleine Feuchtigkeitsnester handelt. Genau wie bodengetragene Mikroorganismen können diese nützlich oder schädlich sein.
Ein weiterer bedeutender Faktor, der die Mikroflora im Wachstumsmedium beeinflusst, ist das Vorkommen von Pestiziden. Sie können sich in Substraten oder Böden anhäufen, die über einen längeren Zeitraum verwendet werden. Je nach Art der verwendeten Substanz - ob Herbizid, Insektizid, Fungizid oder Bakterizid - ändert sich die Zusammensetzung der mikrobiellen Lebensgemeinschaft im Substrat.
Was immer man über Mikroorganismen denken mag, eines ist gewiss: Sie sind wahre Überlebenskünstler und haben die faszinierende Fähigkeit, sich an viele unterschiedliche Umweltbedingungen anzupassen. Ein gutes Beispiel dafür ist die Resistenz gewisser Bakterien gegen Antibiotika. Schon eine geringfügige Veränderung im Erbgut kann sich auf ihre Resistenz auswirken.
Die Anwesenheit von Mikroorganismen kann positive und negative Auswirkungen haben. In dem Sinn ist es weder notwendig noch wünschenswert, alle Mikroorganismen zu beseitigen. Die Fähigkeit einer Pflanze, sich vor Infektionen zu schützen, hängt weitgehend (wenn auch nicht ausschließlich) von der Mikroflora im Substrat ab. Dieser Nutzen lässt sich allerdings nur schwer quantifizieren, da zahlreiche Faktoren bei der mikrobiellen Zusammensetzung des Substrats eine Rolle spielen. Die Abwehrfunktion der Pflanze steht in engem Zusammenhang mit der Gesamtmikrobenaktivität, der Vielfalt an unterschiedlichen Gruppen von funktionellen Actinomyceten (stäbchenförmige Bakterien), der Gesamtpopulation der Actinomyceten sowie dem Prozentsatz an zelluloseabbauenden Actinomyceten.
Bei einem ausgeglichenen Mikroklima im Substrat kann unter Umständen auf Pestizide und andere Maßnahmen wie Dämpfen zum Sterilisieren des Substrats verzichtet werden, was zu einer Reduzierung der Kosten beiträgt. Abgesehen von der Tatsache, dass die Liste der für den Haus- und Kleingartenbereich zugelassenen Pestizide immer kürzer wird, sind Pflanzenschutzmittel auch sehr teuer. Darüber hinaus siedeln sich in einem sterilen Substrat nicht unbedingt die nützlichsten Mikroorganismen an. Hier finden Keime und Krankheitserreger viel “unbesiedelte Fläche” vor, auf der sie sich konkurrenzlos ausbreiten und unbegrenzt auf Nährstoffe zugreifen können. Es ist weitaus klüger, von Anfang an für ein gutes mikrobielles Gleichgewicht im Substrat zu sorgen, um die Pflanzengesundheit zu fördern und hohe Ernteerträge zu erzielen. Mit Hilfe von Mikroorganismen kann auch die Qualität von wiederverwendeten Substraten verbessert werden, da gewisse Bakterien Enzyme produzieren, die in der Lage sind, angesammelte Nährstoffsalze zu zersetzen.
Pythium-Infektion auf Tomatenwurzeln in Kokosfasersubstrat
Über die Wurzeln ausgeschiedene Stoffe, wie Zucker, Aminosäuren oder Phenole, können Mikroorganismen anziehen oder vertreiben. Die Position der einzelnen Arten von Mikroorganismen im ständigen Verdrängungswettbewerb kann durch diese Wurzelausscheidungen stark beeinflusst werden. Pflanzen können dies zu ihrem Vorteil nutzen, indem sie Stoffe ausscheiden, die nützliche Organismen anziehen, um so eine Symbiose mit einem bestimmten Mikroorganismus einzugehen. Ein Paradebeispiel für eine symbiotische Beziehung ist die Anwesenheit von speziellen Bakterien in den Wurzelknöllchen von Hülsenfrüchten wie Erbsen oder Bohnen, die atmosphärischen Stickstoff in einer Form binden können, der von der Pflanze aufgenommen und verwertet werden kann.
Eine andere Taktik besteht darin, bestimmte schützende Organismen zuzuführen, um Pathogene zu unterdrücken. Im Folgenden erläutern wir, wie dies funktioniert. Manche Mikroorganismen sind nicht sehr konkurrenzfähig und können sich auf einem Substrat, das bereits von anderen Mikroorganismen kolonisiert ist, nur schwer durchsetzen. Genau diesen Mechanismus kann man sich zunutze machen, um pathogene Mikroorganismen zu vertreiben. Durch Anreicherung des sauberen Substrats mit nützlichen Pilzen wie Mykorrhiza oder Trichoderma wird ein für pathogene Mikroorganismen unfreundliches Milieu geschaffen und die Pflanze vor Infektionen geschützt.
Nützlinge stehen in einem ständigen Wettbewerb mit Schädlingen um Nährstoffe oder Glucose und manche Gegenspieler entwickeln eine eigene Strategie, um sich einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen. So besitzen die fluoreszierenden Bakterien der Gattung Pseudomonas die Fähigkeit, Proteine zu bilden, die schwer lösliches Eisen (Fe) in Eisenchelat umwandeln, das sie wesentlich leichter aufnehmen können. Dadurch wird den Fusariumpilzen das für ihr Wachstum benötigte Eisen und somit ihre Überlebensgrundlage entzogen. Konkurrenz um Glucose kann ebenfalls eine Hemmung des Wachstums von Mikroorganismen bewirken. Durch mangelnde Zufuhr von Energie aus Glucose können die Sporen pathogener Pilze beispielsweise nur sehr langsam keimen.
Antagonistisch wirksame Mikroorganismen können auch die Bildung von Pathogenen in einer oder mehreren Vermehrungsphasen stören. Bakterien der Spezies Pseudomonas P. Stutzeri beispielsweise unterbrechen die Bildung von Konidien (ungeschlechtliche Sporen einiger Pilzarten) und die Bildung und Keimung von Chlamydosporen (dickwandige Dauersporen einiger Pilzarten), haben jedoch keinen Einfluss auf das Mycelwachstum (Myzelien können Nährstoffe über große Distanzen weiterleiten). Manche Pseudomonas-Stämme sind auch in der Lage, Antibiotika zu produzieren und auf diese Weise Krankheitserreger zu vertreiben, während andere Mikroorganismen wiederum Enzyme bilden, die die Zellwände konkurrierender Arten angreifen. Antagonisten, die chitinolytische Enzyme produzieren, verfügen über ein großes Potential zur Bekämpfung pathogener Pilze. Gelegentlich kommt es auch vor, dass eine Gruppe von Antagonisten oder eng verwandten Arten im Kampf gegen Pathogene zusammenarbeitet. Andere Antagonisten wiederum überwältigen Pathogene einfach, indem sie sich rascher vermehren und diesen alle Ressourcen entziehen und damit alle Überlebenschancen nehmen.
Algenbildung in Steinwollwürfel
Die Mikroflora im Substrat wird durch eine Vielfalt an boden- oder wassergetragenen Pathogenen beeinflusst. Manche dieser Krankheitserreger können über 80 verschiedene Pflanzenarten angreifen und sind wegen ihrer Widerstandsfähigkeit nicht zu unterschätzen. Es gibt viele Arten von pathogenen Mikroorganismen, die eine Reihe von Infektionen und Krankheitssymptome verursachen können (Verrotten, Chlorose und Nekrose, um nur drei Beispiele zu nennen).
Einige Erreger bilden Mykotoxine, die sich schädlich auf die Pflanzen oder die Zusammensetzung der Mikroflora im Boden auswirken können. Pathogene können sich gegenüber anderen Mikroorganismen einen Vorteil verschaffen, wenn es ihnen gelingt, schneller zu keimen und bei ungünstigen Bedingungen länger zu ruhen. Pathogene und nicht-pathogene Arten können sehr eng miteinander verwandt sein, was es erschwert, Antagonisten oder andere Maßnahmen gegen sie einzusetzen. Krankheitserreger können sich jedoch auch wehren, wenn sie von Antagonisten angegriffen werden. Ein Beispiel dafür ist Fusarium, das als Ausscheidungsprodukt Fusarinsäure bilden und so die Membraneigenschaften von Pflanzenzellen beeinträchtigen kann. Es kann aber auch die Produktion von Antibiotika durch Pseudomonas-Bakterien hemmen, wie Forschungen an der Landwirtschaftsuniversität Wageningen ergaben.
In den meisten Fällen treten Infektionen durch Krankheitserreger bei bereits geschwächten Pflanzen auf. Gesunde Pflanzen haben mehr Widerstandskraft, um sich gegen Angriffe durch Mikroorganismen zu wehren. Solange die Pflanze schnell und gezielt genug reagiert, kann sie eine derartige Infektion erfolgreich überwinden. Dabei sind optimale Klima- und Bodenbedingungen für die Pflanze noch wichtiger als optimale Wachstumsbedingungen für (nützliche) Mikroorganismen.
Obwohl es unerlässlich ist, ständig auf ein gutes mikrobielles Gleichgewicht im Substrat zu achten, kann der Wachstumszyklus einer Pflanze einfach zu kurz sein, um ein solches Gleichgewicht herzustellen. Es ist möglich, das Substrat mit Antagonisten zu "impfen", was sich - trotz der teilweise inkonsistenten Ergebnisse - in manchen Fällen sehr positiv auf das Pflanzenwachstum und die Gesundheit auswirken kann. Die Ergebnisse sind mitunter mit jenen vergleichbar, die beim Einsatz von Pflanzenschutzmitteln wie Fungiziden erzielt werden, obwohl die positive Wirkung nicht immer die gesamte Vegetationsperiode andauert.
Die im Substrat vorhandenen Mikroorganismen können einen wichtigen Beitrag zur Unterdrückung von Pflanzenkrankheiten leisten, weswegen die Forschung gerade diesem Bereich derzeit viel Beachtung schenkt. Obwohl diese Technologie noch in den Kinderschuhen steckt, haben Forschungsergebnisse des Louis Bolk-Instituts in den Niederlanden bereits gezeigt, dass die Zufuhr von nützlichen Mikroorganismen oder die Beigabe von Kompost zur Verbesserung der Bodenstruktur den Ernteertrag wesentlich steigern kann.